Treats for Lunch, 12.05.21
- Dana Wedowski
- May 12, 2021
- 5 min read
Ich glaube, ich habe „The Beautiful and Damned“ verloren: Es ist nicht in meiner Handtasche, nicht in meinem Regal, nicht auf meinem Schreibtisch. Ich weiß nur nicht, wie es weg gekommen sein soll. Das wäre erstens furchtbar ärgerlich, da ich es wirklich lesen wollte (wirklich!), und zweitens hatte ich dort persönliche Notizzettel hineingesteckt, mit denen bestimmt die literarischsten Ausbrüche die ich je zu Papier gebracht habe verloren gehen würden. Oder meine Einkaufsliste.
Rezepte
Mein Orthopäde muss mich für den schludrigsten Menschen auf Erden halten. Seit vergangenem August (September?) beschwere ich mich über mein linkes Knie. Es schmerzt; Zunächst nur bei ausgefallenen Bewegungen wie „auf einem Bein die Cornflakes aus dem obersten Supermarktregal angeln“ oder „auf halber Spitze ins Passé mit rechtem Bein oben schreiten“, mittlerweile auch beim Stolpern oder falsch vom Stuhl klettern. Eigentlich immer, wenn ich mein Bein komplett durchstrecke, so richtig ballett-mäßig, nach einer Halbmondform strebend. Damals schickte mich der Orthopäde zur Physio, ich vereinbarte die Termine so spät, dass ich eine neue Verordnung brauchte. Gar kein Problem für mich, der Arzt befand sich direkt neben meinem Büro. Ich ging sechsmal zur Krankengymnastik, wo mir sehr nette Mädels sagten, ich hätte ein Reizknie ohne spezifische Ursache, und müsse einfach abwarten. Nebenher sollte ich Übungen machen, bei denen mein Knie extra leicht gebeugt wird.
Wissen Sie, das ist für mich die unangenehmste Haltung, die mein Knie nur einnehmen kann. Mein Leben lang (zumindest, seit ich vier Jahre alt war) wurde mir eingetrichtert, die Knie vollkommen durchzustrecken. Gebeugte Knie sind mir auf allen Ebenen unangenehm (außer, es handelt sich um ein ausgedrehtes Plie), besonders parallel nach vorne, ganz speziell in der Balance. Da läge die Krux, so die lieben Physiotherapeutinnen, das sei viel gesünder und schonender und würde mein Knie stärken und stabilisieren, sodass es nicht mehr wehtäte. Leider bekommt man als Kassenpatient nicht mehr als insgesamt zwei Stunden Therapie verteilt auf sechs Termine, sodass ich die Übungen nur gezeigt bekam und wohl erwartet wurde, ich würde sie zuhause zeitintensiver nachmachen. Bloß ging ich arbeiten und war am Abend zu müde (unmotiviert), außerdem hatte ich bereits am übernächsten Tag den nächsten Termin, bis zu dem das Ganze eh nichts gebracht hätte. Nach der Physio waren die Schmerzen gleichbleibend und ich arbeitete noch mehr, bis ich kündigte und in meiner temporären Freizeit fröhlich wieder zum Orthopäden wackelte, da meiner Meinung nach alles noch schlimmer war und ich eine andere Diagnose wollte, eine, die sich mit heißen Wickeln oder Massage oder Tabletten behandeln ließ. Der gute Mann, ein untersetzter Herr mit lauter Stimme und wohlwollender Strenge, betrachtete mich, meine Schuhe, meine altbekannte Fußfehlstellung, und verschrieb mir diesmal neue Einlagen. Ein guter Punkt, denn ich hatte bereits seit beschämend langer Zeit weder welche getragen, noch neu bestellt. Sie passen einfach kaum jemals in meine Schuhe. Das würde möglicherweise helfen, sagte er, kommen Sie in vier Wochen wieder. Das ist jetzt sechs Wochen her, und ich habe es noch nicht ins Sanitätshaus geschafft. Ich fürchte, das dumme Rezept ist schon wieder abgelaufen.
Kleider
Mein Sommerkleider-Paket ist angekommen und war ein ziemlicher Erfolg: Vier von sieben Kleidern hängen bereits in meinem Schrank, den Rest muss ich bei Gelegenheit retournieren, genauso wie die von H&M. Ich trage eines davon gerade, rot, trägerlos, mit Ballonrock. Es ist sehr süß, sehr feminin, und ich muss es alle zwei Minuten davor retten, abzurutschen. Dazu nudefarbene Slingbacks und passendes Kurzjäckchen. Letzteres ist, nach der neuen Mode, eigentlich dazu gedacht, ohne etwas darunter getragen zu werden, doch das Büro ist nicht der passende Ort dafür. Das Kleid dagegen ist nicht nur angemessen, um mich am Schreibtisch zu fühlen wie eine Sekretärin aus dem Typing Pool der 50er-Jahre (Buchtipp: The Best of Everything), sondern würde auch beim Flanieren an der französischen Riviera eine gute Figur machen.
Turbulenzen
Eine Freundin berichtete mir von ihren neuesten App-Bekanntschaften, während ich auf der kleinen Bank an den Gleisen die morgendliche Sonnenwärme und die laue Luft, in der das hohe Gras sich wog, in mich aufsog. Beide haben merkwürdige Namen. Dafür können sie nichts; es ist nur sehr schwer, sich vorzustellen, wie man einen Namen wie „Eberhard“ zärtlich haucht, oder gar stöhnt (Keiner von beiden heißt so). Ich wurde ganz hibbelig vor Aufregung – sich anbahnende romantische Ereignisse bei meinen Freundinnen machen beinahe so viel Spaß, wie eigene, so will es das Gesetz einer Schulmädchenfreundschaft, die bis ins Erwachsenenalter hält (komme mir nicht besonders erwachsen vor. Musste von ihr daran erinnert werden, dass ich nun zur Arbeit müsse. Vergesse das jeden Abend). Ich wünsche mir sehr, dass sich einer der Typen mit merkwürdigen Namen (oder auch beide, man ist schließlich nicht verheiratet) als lohnenswert entpuppt. Ohne diese Apps würde man zwar einerseits momentan gar nicht so viele Leute kennen lernen, andererseits würde man nicht so überdurchschnittlich oft Gespräche und lose Bekanntschaften anfangen und erwachende Hoffnungen auf eine gute Geschichte kultivieren. Aufgrund der schieren Masse und schnell geknüpften, verbindlich wirkenden Nachrichtenbande, wird man selbstverständlich viel öfter enttäuscht. Es ist eigentlich klar, dass man mit Marcel, 25, Student aus Köln und Liebhaber von Vinyl-Platten, nicht zwangsläufig schicksalshaft verbunden ist, denn vor drei Tagen hatte man einen ebenso witzigen Wortwechsel mit Tim, 27, Student aus Köln und Liebhaber von Vinyl-Platten. Man kennt die Leute kaum bis gar nicht, es gibt kein geteiltes Erlebnis wie ein zufällig gemeinsam besuchtes Konzert, dieselbe Stammkneipe, denselben Humor, der entdeckt wurde, als man den einzigen anderen Menschen angelächelt hat, der auch lachte. Auf der Straße würde man ihnen vielleicht keinen zweiten Blick schenken. Ein Multiplikator in alle Richtungen, so auch für die Frustration, die mit der Suche nach etwas Besonderem einhergeht.
Wetter
Wurde in der Mittagspause gefragt, was am Sommer eigentlich so toll sei (die anderen freuten sich nicht so über den plötzlichen Hitzeeinbruch wie ich). Erstens: Die Hitze. Wessen Seele taut nicht auf, wenn er den wohligen Schauer von Sonne auf der Haut, warmen Steinplatten unter den Füßen und lauer Luft im Gesicht spürt, das Feuer, das sich von außen bis ins Innerste arbeitet? Welche Erleichterung kühlender Schatten sein kann, der sich wie ein beruhigendes Tuch über einen schiebt und Linderung bringt. Wenn die Hitze nicht wäre, wäre Schatten nur eine klamme Unannehmlichkeit, aus der es schnell zu flüchten gälte. Zweitens: Die Sonne. Sonne verleiht der Haut einen gesunden, goldenen Schimmer, eine gleichmäßige Oberfläche. Sie bleicht das Haar in ansprechende Strähnchen und rötliche Spitzen. Drittens: Die Klamotten. Man muss keine Strumpfhose mehr finden, die weder kaputt noch drei Töne heller als der eigene Teint ist, man sucht nicht verzweifelt nach einer Strickjacke, die das Outfit nicht ruiniert. Die Stoffe beschweren nicht, man schwitzt weniger, es fühlt sich nicht alles nach Staub und Fusseln an. Dates sind direkt vielversprechender, wenn unter dem Rock nicht noch zwei luftdicht abschließende Strumpfhosen warten. Die Schuhe sind nicht mehr matschbespritzt und durchnässt, wenn man im Büro ankommt. In der U-Bahn trifft einen nicht der Hitzeschlag, wenn man seinen felligen Mantel trägt, der zur Mammutjagd geeignet wäre.
Leider soll es morgen schon wieder regnen.
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